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Mittwoch, 27. Juli 2011

Das bunte Reich der Schach-Taktik (1)

Ein Sommerstrauss voller Kombinationen

Wir Klubspieler wissen's alle: Das Reich der Schach-Taktik ist ein ungeheures - so vielfältig und überraschend, dass kein Leben ausreichte, alle seine Facetten auszukosten. Also halten wir uns immer wieder schadlos am Einzelbeispiel - wie wär's mit einer letztjährigen Partie zwischen dem jungen polnischen Meisterspieler Kaczper Drozdowski und seinem Gegner namens Marco Boscolo (gespielt in Porto Carras)? Vor dem 26. weissen Zug kam es zu folgender Brettposition:

Weiss am Zuge


Die Stellung des Anziehenden ist trotz Material-Balance extrem komfortabel, es stehen ihm eine ganze Reihe von (Gewinn-)Zügen zur Verfügung. Doch «das Bessere ist der Feind des Guten»: Weiss hat hier einen absoluten Hammer-Opferzug in petto, der kein Federlesen mehr macht - welchen? (Lösung: hier)

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Ein nicht seltener Irrtum ist es zu meinen, fulminante Kombinationen bräuchten partout die Dame zuzüglich einen Riesenhaufen Steine. Dabei schlummern auch in den (ach so strategischen) Endspielen oft köstlichste Taktik-Perlen. Wer käme beispielsweise unbesehen darauf, dass in folgender Stellung der (prächtig stehende) Weisse ebenfalls nicht mit «ruhigen» Zügen, sondern mit einem Paukenschlag reüssiert?

Weiss am Zuge


(Lösung: hier)

So geschehen im schönen Haifa zwischen den GM Gruenfeld und Axelrod vor einem Jahr - aber muss man denn immer gleich bei den Spitzenkönnern in den Nahen Osten kiebitzen gehen, um interessante Züge zu sehen? Wo doch im ebenso schönen schweizerischen Leukerbad vor einigen Wochen gleich sechs Spieler unseres Vereins die Klingen mit dem Schachvolk aus der ganzen Schweiz kreuzten und dabei in ihren jeweiligen Leistungsklassen mehr als nur eine schöne Kombination zustande brachten.
Also schrieb der Autor alle unsere SGE-Cracks persönlich an - namentlich Fredy Jung, Josef Lustenberger, Renzo Mazzoni, Daniel Portmann, Jean-Claude Schmidig und Gabriel Steiner - mit der Bitte um einige taktische Kostproben ihrer mind. sieben Turnier-Games. Leider erhielt der Schreibende von Fredy, Seppi, Daniel und Gabriel keinerlei Antwort auf seine Einladung...
Wenigstens aber schickten mit Jean-Claude und Renzo zwei besonders erfolgreiche Schach-«Leuker» Beispiele ihres Könnens.
Der strahlendste SGE-Spieler der diesjährigen SEM war unzweifelhaft Senior Renzo Mazzoni. Gestartet als die Nummer 96 im 2. Hauptturnier, hievte er sich zu guter Letzt auf den 57. (!) Rang, machte also fast 40 Ränge gut. Eine wirklich starke Leistung, Bravo!

Renzo Mazzoni - Bruno Saxer
(Weiss am Zuge)

(Lösung: hier)

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Seine hohe Startnummer ebenfalls (wenngleich etwas moderater) verbessert hat Jean-Claude Schmidig, der allerdings im sog. Nationalturnier - also dort, wo Schachlegende Viktor Kortschnoj zum fünften Male den Schweizermeister-Titel holte... - ein sehr hartes Brot zu essen hatte. Auch ihm gelang der eine und andere Stich gegen Höherklassierte - beispielsweise die folgende schöne Opfer-Fesselungs-Kombination:

Daniel Zangger - Jean-Claude Schmidig
(Schwarz am Zuge)

(Lösung: hier)

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Die Abrundung des heutigen Sommerstrausses mit Tacticals mache eine Kombination, die eigentlich nicht für Normalsterbliche aus den Reihen der SGE gedacht ist... Denn in ihrer Langzügigkeit und Komplexität und frappanten Ästhetik ist sie quasi nur himmlischen Schachgeistern vorbehalten - oder aber dem folgenden Weiss-Spieler:

Winckelmann - Engel
(Weiss am Zuge)


(Lösung: hier)

Wie, lieber «Journal»-Leser, du kennst weder Winckelmann noch Engel? Na ja, sind halt nur zwei Fernschach-Spieler... Aber dort, im internationalen Correspondence Chess, zählt zumindest FS-Grossmeister Thomas Winckelmann zu den absoluten Stars der Szene, zu jenen, die sogar ganz oben um die CC-Weltmeisterschaft mitspielen.
Und zu welch überirdischen Zügen das Fernschach in der Lage ist, beweist eben die Kombination in obiger Stellung. Denn zwar hat das Fernschach in den letzten Jahren (der modernen Schachprogramme wegen) einiges von seinem exquisiten Nimbus eingebüsst, doch man versuche mal die Lösung mit einem dieser so unschlagbaren Engines (z.B. «Fritz» oder «Rybka» oder «Shredder» u.a. mit einer geschätzten Durchschnitts-ELO von 2'900) rauszubekommen... (Davon abgesehen spürte Grossmeister Winckelmann diesen Zug auf zu einer Zeit, da sogar Amateure die Schachprogramme noch locker überrumpeln konnten, nämlich vor 15 Jahren).

So oder so, ob mit oder ohne Schach-Compi: Viel Vergnügen beim Kombinieren und Analysieren - und bis zum nächsten Mal: Walter Eigenmann

Kleiner Hinweis: Nächsten Samstag um 19 Uhr werde ich hier einen Kombinations-Wettbewerb präsentieren. Wer ihn gewinnt, erhält ein Schachbuch - natürlich mit Kombinationen... :-) Nicht verpassen!



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