Die Schachspielerin
ARD (Das Erste) Sonntag, 23. Juni 2013
23:30 Uhr (ca. 98 Minuten)
23:30 Uhr (ca. 98 Minuten)
Wiederholung auf Einsfestival
Montag, 24.06. 2013 um 20:15 Uhr und 23:30 Uhr

Dem "Spiel der Könige" wird etwas Elitäres nachgesagt. Dabei begann es als Kriegs-Simulation. Seine Wurzeln gehen auf die frühen nachchristlichen Jahrhunderte zurück und liegen in Indien. Mit der Expansion des Islams gelangte das Spiel nach Europa, im Mittelalter erfreute es sich an europäischen Höfen großer Beliebtheit und heute ist es das populärste klassische Strategiespiel schlechthin. In Die Schachspielerin wird aus dem Nimbus das Klischee, es wäre überwiegend ein Spiel für die männerdominierte Oberschicht. Und eine Frau von ganz unten schickt sich an, diese Domäne zu erobern und entdeckt sich damit selber ganz neu. Nett ausgedacht, doch leider anhand des falschen Beispiels diese Geschichte erzählt.
Hélène (Sandrine Bonnaire) lebt in einem kleinen Ort auf Korsika. Das Leben verläuft dort eintönig, nach immer gleicher Routine, aber Hélène hat insgeheim Sehnsüchte, von denen sie im Augenblick noch nicht einmal selber etwas ahnt. Während ihrer Arbeit als Zimmermädchen im örtlichen Hotel beobachtet sie ein gutaussehendes Paar, das auf dem Balkon, in der warmen Sonne sitzend, eine Partie Schach spielt. Während des Spiels unterhalten sie sich, lachen, berühren einander und flirten. Wie verzaubert ist Hélène von der Sinnlichkeit dieser Szene, kann sich kaum abwenden; mit ihrem Mann erlebt sie sowas nie. Als sie wenig später von der Frau angesprochen wird, fühlt sie sich ertappt. Spielen sie auch Schach?, wird sie gefragt. Hélène wendet sich ab und verneint kurz angebunden.
Doch diese Begegnung lässt sie nicht mehr los. Wenig später schenkt sie ihrem Mann einen Schachcomputer zum Geburtstag. Der kann damit nicht wirklich viel anfangen; Hélène hätte sich gewünscht, sie würden gemeinsam das Spiel erlernen, anschließend miteinander spielen und vielleicht ihrer eindimensionalen Beziehung etwas Neues hinzufügen. Und möglicherweise dem Paar, das sie kürzlich beobachtet hatte, damit etwas ähnlich werden. Bei ihrem Mann klopft sie da an die falsche Tür. Also beginnt sie selber das Spiel mithilfe des Computers zu erlernen. Doch Schach ist mehr als eine Ansammlung von Figuren und Feldern. Die Regeln zu kennen, bedeutet noch lange nicht das Spiel zu beherrschen. Ein geeigneter Lehrer muss her.

Tatsächlich ist das Motiv der "Fluchtemanzipation" das, welches den Film dominiert. Alles dreht sich um das Durchbrechen von Schranken und das Entkommen aus stereotypen Rollenklischees; wenngleich es glücklicherweise nicht mit dem Vorschlaghammer in die Köpfe der Zuschauer geprügelt wird. Allerdings beherbergt der Gedanke, ausgerechnet das Schachspiel als Katalysator für diese Entwicklung zu benutzen und das alles mit einer romantischen Sehnsucht zu versehen, schon etwas leicht bizarres. Ohne jetzt plump wiederum in Stereotype zu verfallen: Schach und Sinnlichkeit zu verbinden, mutet sonderbar an. Schachspieler sind zumeist in ihrer eigenen Welt verhaftet und ihr Interesse an Frauen läuft oft ihrer Spielstärke umgekehrt proportional entgegen: Je besser sie spielen, desto weniger Ahnung haben sie mitunter vom anderen Geschlecht. Aber ganz sicher gehört es in die feuchten Phantasien vieler, mit einer lasziven Schönen auf einer sonnenüberfluteten Terasse eine Partie spielen zu dürfen - wenn sich solch gutaussehende Frauen nur für Schach begeistern würden.
Nur kommt dies eben (fast) nie vor. Die meisten Frauen interessieren sich nicht für Schach und kommen trotzdem mit ihrer Emanzipation wunderbar voran. Dass Schach eine Männerdomäne ist, juckt nun wirklich niemanden - wieviel Einfluss auf die Gesellschaft soll denn dieses Spiel bitte haben? Es als Allegorie oder Metapher für den Kampf der Protagonistin zu verwenden, den sie mit sich selbst und der Männerwelt ausficht, um ihr Potenzial zu entdecken und womöglich ein neues selbstbestimmtes Leben zu beginnen, ist offensichtlich. Aber warum denn ausgerechnet Schach?! Schachspielen produziert für den Alltag nicht zwangsläufig sozial kompetente Charaktere.
Da es sich bei Die Schachspielerin um eine Literaturverfilmung handelt, muss leider angenommen werden, dass sich dies alles jemand ausgedacht hat, der keine Ahnung von diesem Spiel und den Spielern hat. Obendrein allerhand Schachweisheiten wie: Achte immer darauf dein Zentrum zu kontrollieren und Es ist besser einen schlechten Plan zu verfolgen, als gar keinen, einzustreuen, mag zwar einen gewissen freifliegerischen Geist entfalten, doch die Übertragung dieser Maximen vom Spiel ins reale Leben, lässt diesen Spirit schnell fluglahm werden. Garri Kasparow soll zwar mal gesagt haben, dass alle Fehler im Spiel aus Charakterfehlern resultieren, aber es hat sich auch schon mal jemand geirrt (hieße das sonst in der Umkehrung: umso perfekter ein Mensch das Spiel beherrscht, desto makelloser sein Charakter?).
Abgesehen davon und dass die Hauptfigur innerhalb kürzester Zeit ein Niveau im Spiel erreicht, für das andere viele Jahre brauchen (und als Erwachsener sind solch rasche Fortschritte noch viel unwahrscheinlicher, denn als Kind oder Jugendlicher), entfaltet der Film trotz allem eine angenehm sinnliche Note und die spröde aber nur angedeutete Romanze zwischen dem Lehrer und seiner Schülerin zeugt von feiner einfühlsamer Schauspielkunst und entfaltet einen ganz eigenen Charme. Kevin Kline mal in solch einer anderen Rolle zu sehen, ist durchaus reizvoll. Ob man aber dafür ins Kino gehen muss, kann in diesem Falle schlecht entschieden werden. Wer solche Geschichten mit eindeutiger Metaebene und einer Spur magischen Realismus mag, könnte durchaus Gefallen an dem Film finden. Ansonsten genügt auch eine DVD oder die TV-Ausstrahlung.
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